Zwei Persönlichkeiten – eine Botschaft: „Wir dürfen nicht mehr bedenkenlos konsumieren“

Kempten (Allgäu) | 17. Oktober 2022
Wie die Schwester des ehemaligen US-Präsidenten, Auma Obama, und Unido-Generaldirektor Gerd Müller, sich für ihre Mission von globaler Zusammenarbeit engagieren. Der Lions Club Kempten will dabei helfen.
Dr. Obama und Dr. Müller im Rathaus in Kempten | Ralf Lienert
Dr. Obama und Dr. Müller beim Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Kempten | Ralf Lienert

Kempten (Allgäu). Sie stehen beide für ein Engagement, das weit über Europa hinaus geht. Sie vereint beide der Kampf gegen den Hunger in der Welt – und die gelebte Überzeugung: Afrikas Kontinent ist nicht arm, es sind die Menschen dort, für die es eine Lösung gibt. Wie die aussieht, erklären Dr. Auma Obama, die Schwester des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama, und Dr. Gerd Müller, acht Jahre lang Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und seit 2021 Generaldirektor der Unido, während einer Veranstaltung des Lions Clubs Kempten. Beiden ist dabei eine Botschaft wichtig: „Wir dürfen nicht mehr bedenkenlos konsumieren.“ Vor allem Afrikas Kontinent biete die Chance für nachhaltige Entwicklung und Lösungen der Ernährungsproblematik. Dabei bewirken viele kleine Taten viel Gutes.

Wie dieses Gute aussehen kann, machen Obama und Müller mit ihrer Arbeit während eines Empfangs im Rathaus Kempten bei Oberbürgermeister Thomas Kiechle und beim Vortrag in der Hochschule Kempten anlässlich des 60. Bestehens des Lions Clubs Kempten deutlich. Beide waren laut Lions-Präsident Ralf Lienert geladen, weil sie die Mission einer globalen Zusammenarbeit leben. So setzt sich Auma Obama mit ihrer Stiftung Sauti Kuu („starke Stimmen“) für eine nachhaltige Entwicklung gemäß der Agenda 2030 ein. Unter dem Motto „You are Your Future“ soll das Selbstwertgefühl und die Persönlichkeitsentwicklung junger sozial benachteiligter Menschen gefördert werden. Etwa 200 Familien und 900 Kinder haben mithilfe der Stiftung mittlerweile ein lebenswerteres Leben.

„Mit viel Leidenschaft und viel Energie“, sagt die 62-Jährige verknüpfe sie ihr Engagement – wozu sich ihr auch viele Türen öffnen. Denn es gehe ihr darum, die Gesellschaft zukunftsfähig zu machen. Obama ist es dabei wichtig, Afrika nicht immer als Kontinent zu benennen, sondern die einzelnen Länder zu sehen. „Wenn man unsere Länder nicht beim Namen nennt, kann man mit ihnen nicht kooperieren“, macht sie deutlich.

Denn Afrikas Länder seien nicht arm. Sie hätten reichhaltige wirtschaftliche Schätze zu bieten. „Es geht nur darum, welchen Wert man ihnen beimisst“, und es gehe darum, Lösungen für die Armut der Menschen zu finden. Obama setzt dabei auf die junge Generation (70 Prozent der Menschen dort unter 25 haben Potenzial). Ein Lösungsansatz liege in der Digitalisierung.

Ein Stichwort, das UN-Genrealdirektor Dr. Gerd Müller gerne aufgriff. 45 Länder Afrikas hat er während seiner Zeit als Bundesentwicklungsminister bereist – und dabei nicht nur viel Armut, sondern auch Lösungsmöglichkeiten gesehen. Die Selbstbestimmung für Frauen zum Beispiel, in Ländern wie dem Senegal durch Frauenprojekte gefördert, sei mehr möglich als bisher. Die große Herausforderung, die Müller auch als Unido-Generaldirektor weiterverfolgt, ist die Ernährungsfrage. Hier liege Potenzial in Afrika („Afrika ist grün“), aber vor allem in einem fairen Handel. „Wir müssen globale Lieferketten gerecht gestalten“, ist Müllers Credo. Die Ausdeutung von Mensch und Natur müsse gestoppt werden, die Produkte einen fairen Preis bekommen. Dazu braucht es den politischen Willen, ein Denken in Berlin, das nicht nur auf Europa ausgerichtet ist. „Denn die Industrieländer saugen den Markt ab, es muss gehandelt werden“.

Einig sind sich Müller und Obama auch darin, dass es dazu eine neue Weltordnung braucht – und ein Umdenken. Wenn in Afrika zum Beispiel Baumwolle angebaut und gleichzeitig importiert wird, gehe das an den Menschen vorbei - „dann machen wir uns selbst kaputt“, sagt Obama.

Auch deshalb seien Partnerschaften wichtig, die mit ihren Projekten Lösungen anbieten.

Wie das Projekt „Vet4Africa“ (vocational education and training for Africa), das 2017 in Wildpoldsried als Zusammenschluss der Energiegemeinde Wildpoldsried, der Staatlichen Berufsschule Kempten und der ALP Dillingen gegründet wurde. Gründungsmitglied Günter Mögele erklärte Obama, dass mittlerweile in 17 Ländern über 230 Ausbilder mithilfe eines Solarkoffers ausgebildet wurden, um Energie zu erzeugen. Sie haben wiederum über 3.200 Schüler und Studenten in Energiegewinnung geschult. Ein Schneeballsystem, das dazu gedacht ist „Bildung und Energie als grundlegende Voraussetzungen für nachhaltige Entwicklung zu schaffen.“

„Vet4africa“ will sich jetzt an der Entstehung des größten Wind- und Solarparks auf dem afrikanischen Kontinent mit einem Bildungszentrum beteiligen. Denn es fehle dort an Fachkräften. Mit dieser Einrichtung können auch pro Jahr 500.000 Tonnen Wasserstoff allein für Deutschland geschaffen werden. Die Hilfe der Unido, sagt Mögele in Richtung Müller, sei hier wertvoll.

Müller und Obama nahmen das ebenso mit wie weitere Hilfsaktionen aus Kempten: Zum Beispiel den Bau einer Grundschule in Äthiopien, initiiert und finanziert von der Stadt Kempten, wie Oberbürgermeister Kiechle erklärte.

Oder die angesagte Unterstützung des Lions Clubs Kempten, der im Sauti Kuu Ausbildungszentrum einen Lehrgang Elektrotechnik mit Schwerpunkt erneuerbare Energien aufbauen möchte. Dazu wurde jetzt Solarkoffer für die kommenden drei Jahre finanziert. Denn die Lions haben laut Lienert in den 60 Jahren ihres Bestehens insgesamt über eine Million Euro für Benachteiligte aufgebracht. Gemäß dem Motto des Allgäuers Gerd Müller: „Viele kleine Taten bewirken Großes“.

Dr. Auma Obama (62) ist die Schwester des früheren US-Präsidenten Barack Obama, promovierte 1996 an der Universität in Bayreuth und war in der Friedrich-Ebert-Stiftung tätig. Thematisch beschäftigt sie sich mit Afrika und dem Afrika-Bild der Deutschen. Sie gründete 2013 eine Stiftung mit dem Ziel, Kindern in Kenia die Möglichkeit zu geben, ihr eigenes Leben selbst zu bestimmen.

Dr. Gerd Müller (67) war 27 Jahre lang Abgeordneter des Wahlkreises Oberallgäu und acht Jahre lang Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Seit Dezember 2021 ist er Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO). Er ist der Initiator von „Eine Welt ohne Hunger“, „Fluchtursachen bekämpfen – Flüchtlinge reintegrieren“ und „Ausbildung und Beschäftigung“, insbesondere in Afrika (Compact with Africa, Marshallplan mit Africa). Ein Meilenstein seiner Amtszeit ist das faire Lieferkettengesetz.